Der Arbeitskreis „psychisch krank und wohnungslos“ lädt ein zum Vortrag:
Die Angst der SozialarbeiterInnen / SozialpädagogInnen vor der psychischen Erkrankung
Psychischen Schmerz ins Denken bringen
Termin: Freitag, 28. Februar 2014, 09.00 Uhr – 11.00 Uhr
Ort: Hörsaal der Erziehungswissenschaften, Liebeneggstraße 8, 6020 Innsbruck
Eintritt frei
Ausgehend vom Begriff des „psychischen Schmerzes“ geht Tjark Kunstreich der Frage nach, welche Ursachen der Tatsache zugrunde liegen, dass im weiten Feld des Sozialen die Arbeit mit psychisch kranken Menschen vielfach als besondere Herausforderung verstanden wird – und nicht selten als kaum zumutbar.
In der psychoanalytischen Tradition wird der psychische Schmerz als jener Anteil definiert, der, abgespalten, nicht zur Sprache kommen und also auch nicht ins Denken gelangen kann. Die Sprachlosigkeit auf der einen Seite löst Ohnmacht und Hilflosigkeit auf der anderen Seite aus. Hilflosigkeit und Ohnmacht aber lassen sich schwer ertragen, zumal in einer Zeit, in der jede Profession sich selbst nur dann legitimieren kann, wenn sie den schnellen Erfolg garantiert und die jeweiligen Problematiken zum Verschwinden bringt.
Der psychische Schmerz allerdings lässt sich nicht zum Verschwinden bringen, da er als Symptom lediglich auf bereits Verschwundenes verweist. Und das, was sich nicht mehr artikulieren lässt, kann auch nicht mehr ohne Weiteres „bearbeitet“ werden. Die Folge ist, dass das Sprachlose, das Unbearbeitbare sowohl auf personeller wie auch auf institutioneller und gesellschaftlicher Ebene abgewehrt und die Sprachlosen und Unbearbeitbaren an die Ränder der Gesellschaft gedrängt werden.
Es ginge also darum, dass Soziale Arbeit die Sprachlosigkeit des psychischen Schmerzes in die Mitte der Gesellschaft trägt, um das Verdrängte gesellschaftlich wieder sichtbar zu machen.
Neben anderen AutorInnen stützt sich Tjark Kunstreich auch auf Andrew Cooper, Direktor des Center for Social Work Practice in London, den er wie folgt zitiert: „Wissen, dass unser Wissen eines ist, das vom Rest der Welt abgewehrt wird, um es nicht wissen zu müssen. Sprachen entwickeln, um über diese schwierigen und verstörenden Angelegenheiten zu sprechen, und Fähigkeiten, diese anderen zu vermitteln, die nicht immer davon hören wollen. Dies setzt uns unvermeidlich in eine politische Position – in eine anwaltschaftliche, agitierende Funktion von Überbringern einer unwillkommenen Botschaft.“
Tjark Kunstreich, MA, Sozialarbeiter und Publizist, ist seit 20 Jahren in verschiedenen sozialpsychiatrischen Einrichtungen tätig. Seit 2010 lebt und arbeitet er in Wien, wo er eine psychoanalytische Ausbildung absolviert.
Veranstalter_in: Institut für Erziehungswissenschaften & Arbeitskreis „psychisch krank und wohnungslos“. Finanziert durch das Land Tirol.