Verband Freier Radios Österreich begrüßt Akutförderung und fordert rasche Umsetzung des Freie Radios-Fonds.
Mit der Gewährung einer Akutförderung aus Bundesmitteln für die 12 bestehenden Freien Radios zur Unterstützung ihrer Jahrestätigkeit 2007 scheint der Stillstand in der heimischen Medienpolitik in Bezug auf die Anerkennung des dritten Mediensektors überwunden: „Die Förderung von insgesamt 300.000 EUR gibt Anlass zu der Hoffnung, dass nach sieben Jahren des systematischen Aushungerns die Bundesregierung damit einen ersten Schritt in Richtung einer umfassenden Anerkennung der Freien Radios als dritten Rundfunksektor setzt“, so Helmut Peissl, Obmann des Verbands Freier Radios Österreich (VFRÖ). Bereits 1998 und 1999 waren die Freien Radios aus Mitteln der Kunstsektion und der Volksgruppenförderung des BKA gefördert worden; im Jahr 2000 wurden diese Mittel auf ein Drittel gekürzt und 2001 vollständig gestrichen.
„Für das junge Freie Radio Freistadt 107.1, das im ländlichen Raum angesiedelt ist, bedeutet diese Akutförderung, dass das Überleben 2007 damit definitiv gesichert ist: Für das Radio ist es nahezu eine Verdoppelung der bestehenden Förderung! Die zusätzlichen Mittel kommen zuallererst den bisher leider völlig unzureichend betreuten Programmmachenden im Offenen Zugang zugute. Sowohl Programmkoordination als auch technische Betreuung können dadurch wesentlich verbessert werden“, freut sich Otto Tremetzberger, Geschäftsführer des Freien Radio Freistadt 107.1, über die Förderung. Seit März 2005 nutzen vor allem Jugendliche, SeniorInnen, MigrantInnen und die Kultur- und Musikschaffenden aus der Region das Radio als ihr Medium.
Durchschnittlich 25.000 EUR pro Radio bedeuten zwar gerade für die massiv unterfinanzierte Mehrheit der Freien Radios eine Unterstützung ihrer Arbeit im Interesse einer pluralistischen Medienöffentlichkeit. Dennoch kann eine solche Förderung nur als Tropfen auf den heißen Stein bezeichnet werden: Die Freien Radios, die derzeit von über 2.500 aktiven RadiomacherInnen genutzt werden, sind die einzigen lokalen und regionalen Plattformen, die medial und gesellschaftlich unterrepräsentierten Gesellschaftsgruppen und Themen Raum zur Artikulation und Selbstrepräsentation bieten. Die Betreuung der aktiven RadiomacherInnen, die Vermittlung von multiplen (Medien-)Kompetenzen und die Aufrechterhaltung eines 24-Stunden-Sendebetriebs sind so jedoch auf Dauer nicht adäquat zu gewährleisten. Für das „Förderungsmodell zur Sicherung einer pluralistischen Radiolandschaft in Österreich“ errechnete der Verband Freier Radios Österreich 2006 einen Mindestbedarf von 382.000 EUR je Freiem Radio.
„ORANGE 94.0 ist das einzige Freie Radio in Österreich, das seit 2004 über eine – einigermaßen – angemessene Finanzierung durch die Stadt Wien verfügt. Damit konnte in den letzten Jahren einerseits die völlig desolate Infrastruktur erneuert und die prekären Arbeitsverhältnisse abgesichert werden. Zum anderen hat die Befreiung von der permanenten Last der materiellen Existenzbedrohung viele Potentiale und Dynamiken beim Freien Radio ausgelöst“, schildert Helga Schwarzwald, geschäftsführende Koordinatorin von ORANGE 94.0 in Wien. „ORANGE 94.0 konnte so seine gesellschaftliche und mediale Relevanz auch durch stark vernetzte, internationale Projekte mit regionalen Bezügen zu Radiokunst, Stadtentwicklung und Medien und Entwicklungspolitik merkbar verstärken.“ Problematisch sei dabei aber, so Schwarzwald weiter, dass der Bestand des Radios nicht durch unabhängige Mechanismen abgesichert sei: „Letztlich geht es – auch in Österreich – um eine politische und rechtliche Anerkennung Freier Medien und damit um größtmögliche Unabhängigkeit von politischer Willkür“.
Ziel des VFRÖ ist deshalb weiterhin die gesetzliche Verankerung der Freien Radios im Privatradio- und KommAustriagesetz sowie die Einrichtung eines „Freie Radios-Fonds“, um eine größtmögliche politische Unabhängigkeit gewährleisten zu können. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die bestehenden Freien Radios aus ihrer derzeitigen wirtschaftlich prekären Situation herauskommen und ihr volles Potential zur Stärkung einer pluralistischen Medienlandschaft entfalten können. Der VFRÖ fordert auch in Hinblick auf die unabhängige Neugestaltung der Regulierungsbehörde KommAustria/RTR die strukturelle Einbindung des dritten Mediensektors. Zur Stärkung einer zukunftsorientierten Begleitforschung soll einE BeauftragteR für Freie Medienprojekte eingesetzt werden.
„Medienpolitik muss sich primär an der Optimierung der gesellschafts- und demokratiepolitischen Rolle der Medien orientieren!“ fordert Helmut Peissl die handelnden PolitikerInnen zu einem Umdenken auf. „Österreich muss endlich auch medienpolitisch im 21. Jahrhundert ankommen! Gerade während der letzten Jahre wurde international die wichtige Rolle von zugangsoffenen Medien erkannt, die Menschen die Grundlage für die mediale Artikulation ihrer Anliegen und Meinungen bieten.“ In Großbritannien und Irland wurde das Entstehen eines vielfältigen Community Radio-Sektors mit weit über hundert Lizenzen ermöglicht. In der Schweiz wird gerade das – vom VFRÖ auch für Österreich geforderte – Gebührensplitting gesetzlich verankert. Und Ende Jänner verabschiedete die Ministerkonferenz des Europarats folgende Erklärung:
„[The Committee of Ministers] stresses that policies designed to encourage the development of not-for-profit media can be another way to promote a diversity of autonomous channels for the dissemination of information and expression of opinion, especially for and by social groups on which mainstream media rarely concentrate.“ (Declaration of the Committee of Ministers on protecting the role of the media in democracy in the context of media concentration, Jänner 2007)
Die österreichische Bundesregierung hat jetzt die Chance zu beweisen, dass sie medienpolitisch europareif ist: durch die Umsetzung der im Regierungsprogramm beschlossenen Medienförderung für private nichtkommerzielle elektronische Medien und die Einrichtung eines „Freie Radios-Fonds“; sowie durch die gesetzliche Verankerung Freier Radios und die Schaffung einer unabhängigen Medienbehörde unter struktureller Berücksichtigung des dritten Mediensektors.
Der VFRÖ wendet sich mit seinen Forderungen und dem Angebot zur konstruktiven Zusammenarbeit an Bundeskanzler Gusenbauer, Medienministerin Bures und Kulturministerin Schmied sowie an Vizekanzler Molterer und VP-Mediensprecher Morak. Positive Signale aus beiden Parteien lassen eine Lösung bis Jahresende durchaus realistisch erscheinen.