Das verkehrspolitische Manifest: „Weniger wäre mehr“
Eine Veranstaltung mit Winfried Wolf.
Spätestens nach den letzten zwei Hitze-Sommer und angesichts der Bilder von schneefreien Bergen im Dezember und Schrumpel-Gletschern dürfte allen klar sein: Die Klimaerwärmung droht in eine Klimakatastrophe umzuschlagen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Verkehrssektor – und zwar der Personenverkehr ebenso wie der Gütertransport.
Die gängigen Rezepte lauten: Man bräuchte einen Austausch des Antriebs von Pkw, Bussen und Lkw („e-mobility“) und eine Stärkung von öffentlichem Verkehr im Allgemeinen und der Schiene im Besonderen.
Doch reicht das aus? Der Referent verneint dies. Elektroautos bringen kaum CO-2-Minderung; damit werden vor allem die Städte mit noch mehr Autos zugestellt. Eine reine Verlagerung z.B. des Lkw-Verkehrs auf die Schiene ist bereits rein technisch nicht realisierbar. Die Hauptthese von Winfried Wolf lautet:
In erster Linie müssen der Personenverkehr und der Gütertransport deutlich reduziert werden.
Ziel sei eine „Verkehrspolitik der drei V“:
Die Menschen sind heute nicht mobiler als sie es in den 1970er Jahren waren. Doch sie legen im Jahr fast doppelt so viele Kilometer motorisiert zurück wie damals. Der Lkw-Verkehr hat sich allein seit 1992 verdoppelt. Der Alpentransit und der Flugverkehr ist nochmals stärker gestiegen. Doch unser Lebensstandard ist heute nicht wesentlich höher als damals. Auch hat sich die Zahl der Urlaubstage und der Urlaubsfahrten nicht wesentlich erhöht. Durch die Zerstörung von „Nähe“, von kleinteiligen Strukturen, durch die krasse Zunahme von Fernreisen, durch eine zerstörerische Globalisierung und durch Dumpingpreise im Gütertransport erleben wir eine Verkehrs- und Transportinflation. Es wurden Strukturen entwickelt, die zu einem „erzwungenen Verkehr“ und zu einer immer größeren „Transportintensität“ führten. Damit sind wiederum gigantische Betonorgien – Brennerbasistunnel, Koralmtunnel, neue Landepisten und Startbahnen, neue Regionalairports usw. – verbunden sind
Hier muss als erstes angesetzt werden – durch die Reduktion von Verkehr und Transporten. Dies trägt – unter anderem durch weniger Lärm, weniger Gesundheitsbelastung, weniger Stress – auch zu einer höheren Lebensqualität bei. Vor allem ist dies die entscheidende Strategie für wirksamen Klimaschutz. Eine radikale Verkehrswende steht auf der Tagesordnung. Es wird von Wolf mit einem 20-Punkte-Verkehrswende-Manifest vorgestellt. Nur auf diese Weise kann die rasante Fahrt in die Klimakatastrophe gestoppt werden. Die Verkehrswende ist Teil einer nachhaltigen und solidarischen Welt, für die wir uns engagieren.
Winfried Wolf:
sprach letztes Mal in Innsbruck/ Annasäule im Juni 2019 beim „streikenden Klassenzimmer“(siehe Foto). Er ist Chefredakteur von Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie. Er war 1994 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags. Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac Deutschland. Aktuelle Bücher: W.W., „Mit dem Elektroauto in die Sackgasse. Wie die Elektromobilität den Klimawandel beschleunigt“ // W.W., „abgrundtief + bodenlos. Stuttgart21, sein absehbares Scheitern und die Kultur des Widerstands“ // Bernhard Knierim und Winfried Wolf „Abgefahren. Warum wir eine neue Bahnpolitik brauchen“. Das 20-Punkte Manifest „Weniger wäre mehr“, das am 9.1.2020 in Innsbruck erstmals vorgestellt wird, erscheint im März als Buch im Verlag Papyrossa (Ko-Autor: Carl Waßmuth).
Aufgenommen am Donnerstag, 9. Januar 2020 im Stadtteilzentrum Wilten.
Bild : Wilfried Hanser
Aufnahme und Sendungsgestaltung: Leonie Drechsel
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… ist eine gemeinsame Sendereihe von FREIRAD-Radiomacher_innen.
Weltweit ist eine Erstarkung des Rechtspopulismus zu beobachten, dessen Rhetorik in politische Lager jenseits radikaler Randparteien hinein reicht. Damit einher gehen Einschnitte in den Sozialstaat, die schrittweise Aushöhlung demokratischer Grundprinzipien (wie etwa das Zurückdängen von kritischem Journalismus, Ausbau der Überwachung von Bürgern) und eine Rhetorik, die offen auf die Entzweiung von Bevölkerungsgruppen (Sündenbockdiskurs) abzielt. Diese Tendenzen markieren einen bedenklichen demokratiepolitischen Kipppunkt.
Über 25 FREIRAD-RadiomacherInnen unterschiedlichster Genres haben sich angesichts dieser Entwicklungen zusammengefunden, um auf vielfältige Weise konstruktive Antworten darauf zu formulieren.
Im Magazin-Format soll so ein buntes Mosaik an Radiobeiträgen entstehen, das demokratiegefähredende Mechanismen kritisch reflektiert, diskutiert und mit Blick auf eine diverse Gesellschaft produktiv Gegenkonzepte hervorbringt.
Die Vielfalt unterschiedlicher Sichtweisen, Arbeitsformen, Genres und Fokus der beteiligten RadiomacherInnen macht dabei Demokratie direkt hörbar.
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