Da eine illiberale identitäre Demokratie keinen Platz für das „Andere“ bietet, mobilisiert sie einen Identitätskampf gegen Vielfalt und Pluralität. In (ultra)konservativen kirchlichen Kreisen wollen die Menschen genau wie die Neuen Rechten ein durch die Modernisierungsprozesse überholtes Gesellschaftsbild konservieren. Nach ihrer Empfindung bedrohen gewandelte geschlechtliche Rollenbilder die Männlichkeit, der Gender-Diskurs die Geschlechterverhältnisse etc. Infolge ihrer Identitätskämpfe bilden religiöser Fundamentalismus und rechter Populismus gefährliche Allianzen miteinander, deren Folge z. B. die sog. Antigender-Debatte ist. Dabei geht es nicht bloß um einen klassischen konservativen Backlash gegen Gender Equality und LGBTQ Equality, sondern um viel mehr: „gender is a symbolic glue“ (Pető/Kováts). Diese Prozesse bedrohen den nach dem Zweiten Weltkrieg auf Grundlage der Menschenrechte entstandenen politischen Konsens und die Demokratie. Ein trauriger Meilenstein ist in Ungarn 2018 die Auflösung des Studienfaches Gender Studies an der Universität ELTE (Eötvös-Loránd-Universität Budapest) und das Verbot der Einführung eines solchen Studienganges an einer staatlichen Universität auch in der Zukunft. Mit der Begründung, dass das Gender-Konzept mit den christlichen Werten nicht zu vereinbaren sei. So wird die Politik sakralisiert und die Religion entsakralisiert (Gábor). Wenn die rechtspopulistische Ideologie das Christentum instrumentalisiert, dann kann die sog. „christliche Demokratie” (Orbán) für den Fortbestand der EU die größte Gefahr bedeuten.
Der Vortrag fand am 11. November 2020 online statt.
Zur Person:
Rita Perintfalvi, MMag. Dr. theol., ist Post-Doc-Universitätsassistentin am Institut für Alttestamentliche Bibelwissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz im Rahmen des fakultären Forschungsschwerpunktes Frauen- und Geschlechterforschung.
Sie ist katholische Fachtheologin, promovierte Alttestamentlerin, Religionslehrerin, Kulturmanagerin, Sozialmanagerin mit Spezialisierung auf psychosoziale Prävention, Publizistin und Bloggerin.
Derzeit leitet sie im Rahmen des Elisabeth-List-Fellowship-Programms für Geschlechterforschung eine Forschungsgruppe zum Thema „Widerstand erforderlich? – Identitäts- und Geschlechterkämpfe im Horizont von Rechtspopulismus und christlichem Fundamentalismus in Europa heute“.
Zur Vortragsreihe:
Antifeminismus in Rechtsextremismus und religiösem Fundamentalismus
Vortragsreihe mit Abschlussdiskussion, organisiert vom Büro für Gleichstellung und Gender Studies der Universität Innsbruck in Kooperation mit dem Frauenreferat der Diözese Innsbruck und dem Haus der Begegnung Innsbruck.
FREIRAD ist für euch dabei und nimmt die Vorträge auf. Ein bisschen zeitversetzt können die Vorträge dann auf FREIRAD nachgehört werden. Später findet ihr alle Mitschnitte auch online auf der Radiothek der Freien Radios Österreich.
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