Wie unlösbar eng das Politische mit dem Privaten verknüpft sein kann, zeigt der neue Dokumentarfilm des Künstlerinnenduos Klub Zwei (Simone Bader & Jo Schmeiser)
Klub Zwei lassen Töchter und Enkeltöchter von NS-TäterInnen und MitläuferInnen zu Wort kommen. Die sieben Frauen gehören unterschiedlichen Generationen an, stammen aus Österreich oder Deutschland und sprechen über ihre belastete Familiengeschichte sowie ihren persönlichen Umgang mit der Schuld der Eltern und Großeltern. Was tun sie mit dem Wissen um deren Beteiligung an NS-Verbrechen? Welche „historischen“ Prägungen können sie an sich selbst beobachten und wie wirken sich diese auf Beziehungen, die Sexualität, das Körperbewusstsein, ihr Selbstbewusstsein als Frauen und Feministinnen, ihr politisches Engagement aus?
Die Regisseurinnen siedeln die Gespräche im öffentlichen Raum an. Markante Wiener Bauwerke, die jeweils für ein Jahrzehnt der 2. Republik stehen, dienen den Protagonistinnen nicht nur als Setting sondern verweisen zugleich auf die gesellschaftspolitische Dimension des Gesagten. Diese historischen Gebäude, von der Kamerafrau Sophie Maintigneux „bestechend fotografiert“, dienen auch „als Erinnerungspfeiler der offiziellen Politik und deren Auslassungen.“ (D. Kamalzadeh in: Der Standard) „Die extrem ruhigen, auf Symmetrie aufbauenden Einstellungen dieser Architekturen […] vermitteln aber auch eine merkwürdige, unheimliche Ahnung von einem ordentlichen, ‚seligen‘ und ‚unschuldigen‘ Österreich, welches sich zwischen sozialpolitischen Angeboten (Strandbad Gänsehäufel), bemühter Internationalität (UNO-City) und selbstdefinierter Kulturnation (Museumsquartier) wiegt. Das österreichische ‚Wirtschaftswunder‘ bzw. sein Mythos verschweigt die Tatsache, dass der wirtschaftliche Erfolg auch eine Folge der Ausbeutung von hunderttausenden ZwangsarbeiterInnen während des Nationalsozialismus war.“ (Eva Simmler in: Kulturrisse)
Eine weibliche und eine männliche Stimme aus dem Off (Nicola Lauré al-Samarai und Rainer Egger) ergänzen die Architekturen und Erzählungen der Frauen mit historischen Informationen.
Auszeichnungen: „Outstanding artist award“ für Video- und Medienkunst 2010
Österreich 2010; Regie und Drehbuch: Klub Zwei – Simone Bader & Jo Schmeiser; Kamera: Sophie Maintigneux; Schnitt: Karin Hammer; Ton: Cordula Thym; Mitwirkende: Katrin Himmler, Helga Hofbauer, Maria Pohn-Weidinger, Dietlinde Polach, Lenka Reschenbach, Patricia Reschenbach, Jeanette Toussaint; SprecherIn: Nicola Lauré al-Samarai, Rainer Egger; (35mm – von digital übertragen; 1:1,78; Farbe; Stereo; 98 min (25 Fps); ORIGINALFASSUNG).
Klub Zwei – Simone Bader & Jo Schmeiser
Simone Bader (1964 in Stuttgart geboren) und Jo Schmeiser (1967 in Graz geboren) arbeiten seit 1992 als Künstlerinnenkollektiv „Klub Zwei“ an der Schnittstelle von Kunst, Film und neuen Medien. Im Zentrum ihrer Arbeiten stehen aktuelle gesellschaftspolitische Themen und die Mittel ihrer Darstellung.
Filme von Klub Zwei
LIEBE GESCHICHTE (2010), Dokumentarfilm
THINGS: PLACES. YEARS (2004), Dokumentarfilm
sowie zahlreiche Videoarbeiten im Kunstkontext
kinovi[sie]on
08.10.2011
19.00 Uhr
Leokino
Konzept, Umsetzung, Dokumentation: Gerlinde Schwarz und Gertraud Eiter
nähere Infos unter www.kinovisieon.at